Das neue Aktienrecht

Veröffentlicht am: 21. Februar 2023

Nach über 20 Jahren ist das neue Aktienrecht per 1. Januar 2023 in Kraft getreten. In diesem Zusammenhang haben sich ebenfalls viele Gesetzesartikel geändert, welche nicht direkt einer Aktiengesellschaft zugeordnet werden können. So ergeben sich auch für die Alters- und Pflegeheime sowie die Institutionen für Menschen mit Behinderung Anpassungen, welche teilweise bereits für den Abschluss des Geschäftsjahres 2022 zu beachten sind.

1. Jahresrechnung – Eigenkapital

Die in Art. 959a Obligationenrecht (OR) festgehaltene Mindestgliederung hat im Bereich des Eigenkapitals eine Erweiterung erfahren. Neu sind gemäss Abs. 2 Ziffer 3 des erwähnten Artikels unter anderem folgende zusätzliche Kategorien auszuweisen:

  • Freiwillige Gewinnreserven
  • Gewinnvortrag bzw. Verlustvortrag (dieser als Minusposten)
  • Jahresgewinn oder Jahresverlust (dieser als Minusposten)
    Somit ist es nicht mehr erlaubt, das Jahresergebnis direkt mit den Reserven oder dem Ergebnisvortrag zu verrechnen.
    Daraus folgt wiederum, dass die Jahresrechnung nun immer die Situation VOR Gewinnverwendung darstellen muss.

2. Antrag zur Ergebnisverwendung

Gewinn
Es gibt keine bedeutsamen Anpassungen bei Vorliegen eines Gewinnes.
Bei einer Pflicht zur Äufnung von gesetzlichen Gewinnreserven (Art. 672 OR) sind dieser 5% des Jahresgewinnes zuzuweisen bis zu einer Höhe von 50% des im Handelsregister eingetragenen Kapitals. Diese Zuweisung muss im Gewinnverwendungsantrag explizit enthalten sein.

Auf die explizite Möglichkeit zur Ausschüttung einer Zwischendividende soll hier nicht näher eingegangen werden da dies für die Mehrheit der Alters- und Pflegeheime und der Institutionen für Menschen mit einer Behinderung nicht relevant ist.

Verlust

In Art. 674 OR ist geregelt, in welcher Reihenfolge ein Verlust verrechnet werden muss.

1. mit dem Gewinnvortrag
2. anschliessend mit der freiwilligen Gewinnreserve
3. danach mit der gesetzlichen Gewinnreserve
4. schlussendlich mit der gesetzlichen Kapitalreserve (sofern vorhanden)

Die Verrechnung mit den beiden ersten Punkten ist zwingend.

Anstelle einer Verrechnung mit den beiden gesetzlichen Reserven (Punkte 3 und 4) kann ein allfällig verbleibender Verlust auch auf neue Rechnung vorgetragen werden.

Neu ist, dass es für eine Verrechnung mit den gesetzlichen Reserven aber auch für den Vortrag des verbliebenen Verlustes auf neue Rechnung eines Antrags des Verwaltungsrates (bzw. des zuständigen Organs) bedarf. Die Revisionsstelle hat diesen zu prüfen und in ihrem Bericht eine entsprechende Formulierung einzufügen.

3. Generalversammlung

Das neue Aktienrecht sieht diverse Vereinfachungen und Flexibilisierungen vor. So kann die Versammlung als Präsenzveranstaltung, hybrid oder virtuell stattfinden. Ebenfalls ist eine schriftliche Beschlussfassung (Zirkularbeschluss) möglich (Art. 698 ff. OR).
Ferner ist es nicht mehr notwendig, Geschäfts- und Revisionsbericht physisch am Sitz der Gesellschaft aufzulegen bzw. zuzustellen. Es genügt, diese Unterlagen elektronisch zugänglich zu machen. Aktionäre können eine Zustellung verlangen.

4. Drohende Zahlungsunfähigkeit

Allgemein

Die Bestimmungen zu Kapitalverlust und Überschuldung wurden erweitert. Der neue Art. 725 OR zur drohenden Zahlungsunfähigkeit regelt die Verantwortung des Verwaltungsrates, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu überwachen und bei Vorliegen einer solchen die notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft ihre fälligen Verpflichtungen der nächsten 12 Monate nicht mehr erfüllen kann und somit weder über die Mittel verfügt, die fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen noch über einen Kredit, sich diese Mittel zu beschaffen.

Stiftungen

Bei Stiftungen muss das oberste Stiftungsorgan (meist der Stiftungsrat) bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung umgehend die Aufsichtsbehörde benachrichtigen (Art. 84a ZGB).
Stellt die Revisionsstelle eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung fest muss sie ebenfalls (und zusätzlich) die Aufsichtsbehörde benachrichtigen.

Vereine

Für Vereine, die verpflichtet sind, sich im Handelsregister einzutragen, gelten die Bestimmungen zur drohenden Zahlungsunfähigkeit und zur Überschuldung analog (art. 69d ZGB).

5. Auswirkungen auf Stiftungen

Das oberste Stiftungsorgan muss der Aufsichtsbehörde neu jährlich den Gesamtbetrag der ihm selbst und der Geschäftsleitung direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen gesondert bekannt geben. Hier ist Vorsicht geboten da eine potentielle Weiterleitung an die Steuerbehörden erfolgen kann und eine Gefährdung des Gemeinnützigkeitsstatus darstellen kann. Stiftungen wird empfohlen, die Entschädigungen für Stiftungsräte gut zu begründen und klar zwischen organwirtschaftlichen Tätigkeiten und Zusatztätigkeiten zu unterscheiden (Art. 84b ZGB).

6. Auswirkungen auf Vereine

Bei einer Eintragungspflicht des Vereins in das Handelsregister gelten die Ausführungen von Art. 725 ff OR zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung sinngemäss. Eine begründete Besorgnis einer Zahlungsunfähigkeit löst somit die Pflicht des Vorstands zur Liquiditätsplanung aus. Eine Mitgliederversammlung ist dann einzuberufen, wenn die ergriffenen Massnahmen nicht ausreichen. Bei einer Überschuldung ist ebenfalls ein Zwischenabschluss zu Fortführungs- und Veräusserungswerten zu erstellen und das Gericht zu benachrichtigen.

7. Eintragungspflicht Vereine in das Handelsregister

Art. 90 der Handelsregisterverordnung beschreibt die Pflicht zur Eintragung eines Vereins in das Handelsregister. Diese basiert auf Art. 61 Abs. 2 ZGB wonach ein Verein zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet ist, wenn er für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt oder revisionspflichtig ist.

8. Anpassungsfrist

Im Handelsregister eingetragene Gesellschaften, welche den neuen Vorschriften nicht entsprechen, müssen innerhalb von zwei Jahren Statuten und Reglemente anpassen. Mit dem neuen Recht nicht vereinbare Bestimmungen bleiben bis zur Anpassung, längstens jedoch noch zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Rechts in Kraft.